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Die Kas­sel­er Bild­hauerin, De­signerin und Filmerin Heike Kluss­mann denkt nicht in Fakultäts­grenzen. In ihren Pro­jek­ten "über­lagern sich kün­st­lerische Strate­gien, Grund­la­gen­wis­sen­schaft und an­wen­dung­sori­en­tierte In­ge­nieur­wis­sen­schaft". Bei der Re­al­isierung sind Tech­nik­fach­leute un­verzicht­bar.

"Ich bin ganz klar Kün­st­lerin", sagt Heike Kluss­mann ohne Zögern. Und doch ste­ht im Mit­telpunkt ihres Schaf­fens der Brück­en­sch­lag zu ganz an­deren Diszi­p­li­nen. Der trans­diszi­plinäre Weg, dem sich die Pro­fes­sorin für Bil­dende Kunst ver­schrieben hat, ist beispiel­gebend – und mittler­weile auch preis­gekrönt.

Sch­warz­er Pfer­de­sch­wanz, knall­rot­er Nagel­lack, en­er­gisch­er Schritt und strah­len­des Lächeln: Dass Heike Kluss­mann zunächst ihre Mi­tar­beit­er, Studierende und Kol­le­gen vorstellt, ist typisch für sie. Denn Team­denken über die Fach­grenzen hin­weg ist ge­fragt in ihrem Mul­ti­funk­tion­sate­li­er "K10" auf dem Cam­pus der Uni­ver­sität Kas­sel. Auf Kluss­manns Lern- und Forschungs­platt­form "Bau Kunst Erfin­d­en" fin­d­en Kün­stler, Ar­chitek­ten und Stadt­plan­er, Ex­per­i­men­tal­physik­er, Pro­dukt­de­sign­er und Ex­perten für tech­nol­o­gische Ma­te­rial­forschung zusam­men. Ein­er ihr­er ge­mein­sa­men Sch­w­er­punkte: die En­twick­lung in­tel­li­gen­ter Ober­flächen.

"Das The­ma Ma­te­rial und be­son­ders das Konzept der Ober­fläche spielt in unser­er Ar­beit eine wichtige Rolle", erk­lärt Kluss­mann. Es sei in den Kün­sten, der tech­nischen Forschung und in den Geis­teswis­sen­schaften gleicher­maßen be­deu­tend.

2005 ist die Bild­hauerin, De­signerin und Filmerin dem Ruf nach Kas­sel ge­fol­gt – nicht an die Kun­sthoch­schule, son­dern an den Fach­bereich Ar­chitek­tur, Stadt­pla­nung und Land­schaft­s­pla­nung. "Mich in­teressiert der Raum, wo­raus er sich kon­sti­tuiert, und zu hin­ter­fra­gen, wie wir ihn be­tracht­en, was wir se­hen und was wir se­hen möcht­en." Aus Skulp­turen und In­s­tal­la­tio­nen sei dann Ar­chitek­tur ge­wor­den.

Kluss­mann will Wis­sen erar­beit­en, nicht ver­mit­teln

Von An­fang an stand für die 44-Jährige fest, dass sie nicht in Res­sorts denken und nicht in klas­sische Lehrstruk­turen ver­fall­en wollte: "In unseren Forschungspro­jek­ten über­lagern sich kün­st­lerische Strate­gien, Grund­la­gen­wis­sen­schaft und an­wen­dung­sori­en­tierte In­ge­nieur­wis­sen­schaft." Um "Wis­senserar­bei­tung statt um Wis­sensver­mittlung" ge­ht es Kluss­mann. Das kün­st­lerische Grund­la­gen­s­tudi­um für die Stu­di­engänge Ar­chitek­tur, Stadt- und Land­schaft­s­pla­nung hat sie mit einem Tu­toren-Pro­gramm in ein mo­d­u­lares Sys­tem umge­wan­delt.

Gear­beit­et wird in al­ters­gemischt­en, in­ter- und trans­diszi­plinären Teams. Die Studieren­den brin­gen ihre Fachken­nt­nisse mit in die Pro­jekte und jede Pro­fes­sion ge­ht am Ende mit ihren Ergeb­nis­sen zurück in den ei­ge­nen Fach­bereich und veröf­fentlicht sie in ganz un­ter­schiedlichen For­mat­en. Im DIY-LAB, dem Do-it-your­self-La­bor, kön­nen die Studieren­den her­ausfin­d­en, wie man kom­plexe Ideen mit ein­fachen Mit­teln um­setzen kann und welche tech­nischen Hilfs­mit­tel man dafür braucht. Ent­s­tan­den sind auf die­sem Weg un­ter an­derem "High­tech-Low Bud­get-Maschi­nen" wie ein 3D-Druck­er oder eine CNC-Fräse.

Erfin­d­er- und Un­terneh­mergeist, Selb­st­ständigkeit, Or­gan­i­sa­tions­fähigkeit und das Denken in Zusam­men­hän­gen will Kluss­mann fördern. "Die Frei­heit, die ich selbst im­mer ge­habt habe, möchte ich auch an die Studieren­den weit­ergeben", sagt sie.

Nach dem Studi­um in Düs­sel­dorf und Ber­lin zog es sie nach Pasa­de­na. Mit der in­ter­na­tio­nalen Ausstel­lungs- und Pro­jekt­gruppe "Stadt im Re­gal" hat sie Kun­stevents in Wien, Mex­i­co Ci­ty, Hoy­er­sw­er­da und Cott­bus ver­wirk­licht und nun auch in Kas­sel für Furore sorgt: Das von drei ihr­er Studieren­den ini­tiierte sch­wim­mende Kon­ferenzzen­trum "Ex­port – Im­port" – ein aus­rangiertes und am Ful­daufer vor Ank­er ge­gan­genes Aus­flugsschiff der Stadt – en­twick­elte sich im ver­gan­ge­nen Som­mer zu einem Mag­neten für Kün­stler, Ges­tal­ter und Wis­sen­schaftler aller Fachrich­tun­gen. Ar­beit­en mit Hoch­leis­tungs­be­ton

Kunst und Wirk­lichkeit ge­hören für Kluss­mann zusam­men, ein Wis­sen­schaft­san­satz, der zu durchaus re­al­is­tischen Pro­duk­ten führt, z. B. einem re­flek­tieren­den Hoch­leis­tungs­be­ton na­mens "BlingCrete" aus der Werk­s­tatt von "Bau Kunst Erfin­d­en". Das Ver­bund­ma­te­rial beste­ht aus fes­tem bis ul­tra­hoch­festem, brand­sicherem, frosthartem und rutsch­sicherem Be­ton und in die Betonober­fläche einge­bracht­en Mikro­glaskugeln. Sie fungieren als Pris­ma und sor­gen dafür, dass der Baustoff natür­liche oder kün­stliche Licht­s­trahlen präzise zur Quelle zurück­spiegelt.

"BlingCrete"eignet sich für Leit­sys­teme, Trep­pen­stufen, die Kennzeich­nung von Ge­fahren­stellen, für Hin­weise in Tun­neln oder auch als neues Ges­tal­tungse­le­ment für Fas­sa­den, ist dauer­haft und war­tungs­fre­undlich. 2012 wurde er als in­no­va­tives Ma­te­rial und her­aus­ra­gende De­sign­leis­tung mit dem iF gold award aus­gezeich­net.

Kluss­mann und ihr Team, die sich auch als "En­trepreneure" ver­ste­hen, hal­ten "BlingCrete" nicht für eine Nischen­lö­sung. So hat das Bur­bach­er Un­terneh­men "Her­ing Bau GmbH und Co. KG" als In­dus­trie­part­n­er des Pro­jekts das neue Ma­te­rial bere­its in sein Port­fo­lio aufgenom­men und als Rie­sen­sitzmö­bel im Außen­bereich ein­er Stu­den­ten­woh­nan­lage in Ber­lin in­te­gri­ert.

Nun will die Pro­jekt­gruppe weit­er er­forschen, welche Potenziale Be­ton bi­etet und welche Funk­tio­nen er noch im De­sign und Bauwe­sen überneh­men kann. Rück­en­wind für ihre Ar­beit dürfte sie jet­zt reich­lich haben. Im Dezem­ber ge­wann "Bau Kunst Erfin­d­en" den Hes­sischen Hoch­schul­preis für Exzel­lenz in der Lehre. Der vom Hes­sischen Wis­sen­schafts­min­is­teri­um und der Her­tie-Stif­tung vergebene Preis ist mit 125 000 € im­mer­hin die bun­desweit höch­st­dotierte staatliche Auszeich­nung dies­er Art.

Jut­ta Witte

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Auch In­ge­nieure Kreieren Kluss­manns Kunst
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Jutta Witte